Philosoph, Anarchist und Revolutionär der Münchner Räterepublik
Gustav Landauer wurde am 7. April 1870 in Karlsruhe geboren. Er war das dritte Kind des Kaufmanns Hermann Landauer und seiner Frau Rose. Das assimiliert-bürgerliche Elternhaus bezeichnete Gustav später als „enge Philisterschranken“. Er besuchte das Bismarck-Gymnasium und studierte im Anschluss in Heidelberg, Berlin und Straßburg Germanistik und Philosophie.
In Berlin trat Landauer 1891 der Freien Volksbühne bei und gehörte dem Friedrichshagener Dichterkreis an, in dem sich Schriftsteller des Naturalismus zusammengefunden hatten. 1892 wurde Landauer Mitglied im Verein Unabhängiger Sozialisten und gehörte zur Redaktion der Zeitschrift „Der Sozialist“, für die er zahlreiche Beiträge zu politischen und kulturellen Themen verfasste. Als Berliner Delegierter und Führer des anarchistischen Flügels nahm Landauer beim Internationalen Sozialistischen Arbeiterkongress 1893 in Zürich teil, der die Anarchisten ausschloss. In diesem Jahr wurde Landauer erstmals wegen Ungehorsams gegen die Staatsgewalt verhaftet.
1894 heiratete Landauer seine erste Frau Grete Leuschner. Der Versuch, sein aus finanziellen Gründen abgebrochenes Studium wieder aufzunehmen, scheitere genauso wie sein Versuch, in der Schweiz Fuß zu fassen.
In Berlin gab er das Organ für den Anarchismus-Sozialismus heraus. 1899 lernte er die Lyrikerin Hedwig Lachmann kennen, seine spätere zweite Frau. Gemeinsam verbrachten sie eine längere Zeit in England. Nach ihrer Rückkehr wurde die gemeinsame Tochter geboren und Landauer ließ sich scheiden, um Hedwig Lachmann zu heiraten. Die zweite Tochter wurde 1906 geboren.
Gustav Landauer arbeitete als Buchhändler, Rezensent und Übersetzer, teilweise in Zusammenarbeit mit Hedwig Lachmann, mit der er u. a. „Das Bildnis des Dorian Gray“ aus dem Englischen übertrug. Daneben veröffentlichte er literarische und philosophische Arbeiten, wie etwa „Skepsis und Mystik“ (1903).
1899 hatte Landauer Martin Buber kennengelernt, der für ihn in Bezug auf das Judentum zum Mentor wurde. Wie viele seiner jüdischen Zeitgenossen war Landauer von Bubers chassidischen Geschichten fasziniert und sie brachten ihn zur Auseinandersetzung mit dem Judentum, das er als „unverlierbare innere Eigenschaft“ verstand.
Im Frühjahr 1908 war Landauer, neben Erich Mühsam, Martin Buber und anderen, Mitbegründer des „Sozialistischen Bunds“ und kehrte damit auch zur politischen Agitation zurück. Seine Vision wurde 1911 als „Aufruf zum Sozialismus“ publiziert. In der neu gegründeten Zeitschrift „Der Sozialist“ verfasste Landauer Dutzende Beiträge zu politischen Themen, aber auch aus dem Bereich Kunst und Kultur, bis diese 1915 eingestellt werden musste.
Landauer veröffentlichte auch in jüdischen Zeitschriften, nicht nur in Bubers „Der Jude“, auch in „Selbstwehr“ und „Die Freistatt“, und hielt Vorträge vor jüdischem Publikum. Bei einem Vortrag bei der zionistischen Studentenvereinigung Bar Kochba in Prag sprach er über sein Verständnis von Nationalismus: „Je stärker wir uns unserer jüdische Nationalität bewusst werden, um so mehr werden wir uns ihrer als einer Tatsächlichkeit bewusst, die erst dann volles, schönes, strömendes und all unser Wesen erfüllendes Leben hat, wenn wir es nicht mehr nötig haben, sie mit dem Bewusstsein zu halten und zu umklammern.“
Er selbst verstand sich als Deutscher, ohne sein Judentum zu verleugnen: „Mein Judentum spüre ich in meiner Mimik, meinem Gesichtsausdruck, meiner Haltung, meinem Aussehen und so geben diese Zeichen mir Gewissheit, dass er in allem lebt, was ich beginne und bin. Weitaus mehr aber (…) bin ich, der ich ein Jude bin, ein Deutscher.“ Landauer und seine Frau Hedwig bezeichneten sich selbst als „freireligiös“ und feierten beispielsweise Weihnachten mit einem geschmückten Baum.
Die Familie verließ 1916 Berlin und ließ sich im schwäbischen Krumbach nieder, wo Hedwig Lachmann aufgewachsen war. Ihr Vater Isaak Lachmann war dort seit 1873 als Kantor tätig. Hedwig Lachmann erkrankte im Februar 1918 an der Spanischen Grippe und starb an den Folgen einer Lungenentzündung.
Landauer erhielt das Angebot, als Dramaturg ans Düsseldorfer Schauspielhaus zu kommen. Er entschloss sich jedoch, der Einladung Kurt Eisners nach München zu folgen. Eine Entscheidung, die Gustav Landauers Name untrennbar mit der Münchner Räterepublik verbinden sollte. Am 15. November 1918 kam er nach München und war einer der führenden Köpfe und Denker der kurzen sozialistischen Revolution in Bayern.
Bei der Trauerfeier für den am 21. Februar 1919 ermordeten Kurt Eisner hielt Landauer die Grabrede und betonte dabei auch dessen Judentum: „Kurt Eisner, der Jude, war ein Prophet, wie er mit den Armen und Getretenen fühlte und die Möglichkeit, die Notwendigkeit schaute, der Not und Knechtung ein Ende zu machen.“
Am 7. April 1919, Landauers 49. Geburtstag, wurde die „Räterepublik Baiern“ ausgerufen. Landauer wurde zum Volkskommissar für Volksaufklärung, Unterricht, Wissenschaft und Künste bestimmt. Doch diese erste Räterepublik sollte nur eine Woche währen. Mit der zweiten Räterepublik konnte sich Landauer nicht identifizieren und trat von allen Positionen zurück.
Nachdem München von gegenrevolutionären Reichswehr- und Freikorpseinheiten eingenommen wurde, wurde Landauer am 1. Mai 1919 verhaftet. Einen Tag später wurde er im Gefängnis Stadelheim ermordet.
Die Urne Landauers wurde zunächst am Schwabinger Friedhof beigesetzt und 1923 dann auf den Waldfriedhof überführt, wo außerdem eine Stele, die die Freie Arbeiter-Union gespendet hatte, an Landauer erinnerte. „Es gilt jetzt, noch Opfer anderer Art zu bringen, nicht heroische, sondern stille, unscheinbare Opfer, um für das rechte Leben Beispiel zu geben“, war darauf zu lesen, ein Zitat aus Landauers „Aufruf zum Sozialismus“.
Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten gab es schnell Überlegungen, die Gräber von Landauer und Kurt Eisners, der am Ostfriedhof beerdigt worden waren, umzubetten. Der Münchner Stadtrat erklärte im Juni 1933 die Gräberplätze der beiden jüdischen Revolutionäre für erloschen. Die Urnen wurden der Jüdischen Gemeinde überstellt und am Neuen Israelitischen Friedhof begraben. Die Stele am Waldfriedhof wurde zerstört. Sie wurde 2017 auf private Initiative hin von der Stadt München mit der ursprünglichen Inschrift neu errichtet.
Quellen:
Sebastian Kunze, Gustav Landauer. Zwischen Anarchismus und Tradition, Berlin 2020.
Michael Brenner, Der lange Schatten der Revolution. Juden und Antisemiten in Hitlers München 1918–1923, München 2019.
Altenhofer, Norbert, „Landauer, Gustav“ in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 491–493 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118569074.html#ndbcontent