Jüdische Verlage und Presse in Bayern

Seitdem die bayerischen Juden gleichberechtigt am politischen, sozialen und kulturellen Leben teilnehmen durften, informierte sich die Minderheit zumeist aus der allgemeinen Presse. Die im 19. Jahrhundert vereinzelt erscheinenden jüdischen Mitteilungsblätter bezogen sich in der Regel auf die religiöse Gedankenwelt.

Es dauerte bis ins Jahr 1914, als mit dem Das Jüdische Echo – Bayerische Blätter für jüdische Angelegenheiten eine freilich klar zionistisch geprägte Zeitung erscheint. „Denn es hat sich gezeigt, dass das wahre Wesen des Zionismus auch bei uns noch in weiten Kreisen unbekannt ist“, begründete die Redaktion in der Erstausgabe vom Januar 1914 ihr Vorhaben.

Das Jüdische Echo erschien von Ende 1913 bis März 1933. (Repro: nurinst-archiv)

Erst elf Jahre später folgte die Bayerische Israelitische Gemeindezeitung, ein monatliches Nachrichtenblatt der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München und des Verbandes der Bayerischen Israelitischen Gemeinden. „Wie schmerzlich ist das Fehlen eines solchen Blattes oft empfunden worden“, ist im Geleitwort der ersten Ausgabe vom 27. Februar 1927 zu lesen. „Wie oft sind Gemeindemitglieder wertvollen Veranstaltungen ferngeblieben, haben wichtige Mitteilungen übersehen, nur weil das geeignete Mitteilungsorgan fehlte.“ Die Israelitische Gemeindezeitung erschien zunächst monatlich, später in zweiwöchigem Abstand bis zur Zwangseinstellung des Blatts im Dezember 1937. Das Jüdische Echo stellte schon im März 1933 sein Erscheinen mit den Worten ein: „Das beste, was wir den Juden zu geben vermögen, ist die zionistische Idee, die das jüdische Volk zu aufbauender Tat befähigt hat. Unsere oberste Pflicht und unser schönstes Recht ist die Werbung für den Zionismus.“

Nach der Shoa entwickelte sich in München und Umgebung eine außergewöhnliche und umfangreiche jüdische Medienlandschaft. Zahlreiche Zeitungen, Zeitschriften, Mitteilungsblätter und Illustrierte erschienen – die meisten in jiddischer Sprache. Es sind die Publikationen der Überlebenden, der jüdischen Displaced Persons (DP), wie sie etwa in Föhrenwald, Bamberg oder Landsberg nachweisbar sind, die in den DP-Camps auf eine Emigration nach Israel oder Übersee warteten. Zeitungen wie die Landsberger Lager-Cajtung, Bamidbar, Dos fraje Wort oder Undzer Weg, informierten über den Alltag in den Camps, das Weltgeschehen und die politische Situation in Erez Israel.

Abbildung Landsberger Lager-Cajtung
Von Herbst 1945 bis Sommer 1948 gehörte die jiddische Landsberger Lager-Cajtung, die Herbst 1946 ihren Namen auf Jidisze Cajtung, zu den einflussreichsten DP-Blättern. (Repro: nurinst-archiv)

Hinzu kamen Fachblätter: Die Jidize Sport Cajtung, Landwirtschaftlecher Wegwajzer und die Zeitschrift Fun letstn Churbn, die sich ausschließlich der Dokumentation der Shoa sowie der Aufarbeitung der NS-Verbrechen widmete. Gedruckt wurde dieses Blatt ausgerechnet in der früheren Druckerei des „Völkischen Beobachters“.

Mit der Schließung der jüdischen „Wartesäle“ gegen Ende der 1940er Jahre verschwanden auch die DP-Zeitungen. Dennoch erschienen in München bald wieder drei jiddischsprachige Blätter. Während zwei von ihnen bald wieder eingestellt wurden, existierte die, in der Druckerei der Brüder Garfinkiel gedruckte, Naje Jidishe Tsajtung bis zum Jahr 1974. Von 1947 bis 1948 war die deutschsprachige Zeitung Neue Welt in der bayerischen Hauptstadt beheimatet; herausgegeben vom dem aus Wien stammenden Shoa-Überlebenden und Journalisten Ernest Landau.

Als deutschsprachiges Mitteilungsblatt für alle jüdischen Gemeinden in Bayern erschien die Neue Welt nur knapp ein Jahr (1947/48). (Repro: nurinst-archiv)

Mit den Münchner Jüdischen Nachrichten etablierte sich ab 1951 bis 1976 erneut ein deutschsprachiges Blatt. Nach dem Tod ihres Herausgebers Moses Lustig änderte die Zeitung ab 1977 ihren Namen in Neue Jüdische Zeitung, die bis 1984 erschien. Von 1985 bis 1991 gab die Israelitische Kultusgemeinde unter dem Titel Jüdische Zeitung ein jährliches Mitteilungsblatt heraus. Heute werden nur noch das dreimal jährlich erscheinende Mitteilungsblatt der bayerischen israelitischen Kultusgemeinden Jüdisches Leben in Bayern und seit dem 14. November 1991 eine Seite für die überregionale Wochenzeitung Jüdische Allgemeine in München produziert. Das Blatt wurde 1946 als Jüdisches Gemeindeblatt für die Nord-Rheinprovinz und Westfalen von Karl Max gegründet. Die Redaktion der Allgemeinen ist nach Stationen in Düsseldorf und Bonn seit 1999 in Berlin ansässig. Obwohl sich die Zeitung als Organ des „Zentralrats der Juden in Deutschland“ versteht, pflegen die Journalisten einen kritischen Qualitätsjournalismus, der in seinen Ressorts Gemeinden, Politik und Kultur ein breites Spektrum des jüdischen Lebens abbildet. Seit Anfang der 2000er Jahre ist die Allgemeine auch online vertreten, mit Beiträgen aus der Printausgabe sowie tagesaktuellen Texten (www.juedische-allgemeine.de).

In der Weimarer Republik zählten Verlage mit jüdischem Eigentümer zu den renommiertesten Branchenvertretern, wie beispielsweise der in Fürth geborenen Leopold Ullstein, der den gleichnamigen Verlag gründete. Nach 1945 konnte an diese Tradition nicht mehr angeknüpft werden, wobei es jedoch 1955 in München zu einer Verlagsneugründung kam. Der Journalist Hans Lamm, langjähriger Präsident der IKG München und Oberbayern, gründete 1955 den Ner-Tamid (Ewiges Licht) Verlag, in dem er etwa zum 800. Jahrestag der Stadtgründung Münchens den Sammelband Von Juden in München herausgab. Eine zweite Auflage erschien später unter dem Titel Vergangene Tage, ein bis heute immer noch empfehlenswertes Überblickswerk zur jüdische Geschichte und Kultur der Stadt.

Quellen:

Herbert Freeden, Die jüdische Presse im Dritten Reich, Frankfurt/Main 1987.

Zachary M. Baker (Ed.), Jewish Displaced Persons Periodicals, Bethesda (MD) 1990.

Richard Bauer/Michael Brenner (Hg.), Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2006.

Compact Memory. Das Internet-Portal umfasst über 400 jüdische Zeitungen und Zeitschriften des vorwiegend deutschsprachigen Raumes aus den Jahren 1768–1938