„Ich wollte das erreichen, was der Mann kann“
Anna Landmann wurde am 13. Februar 1892 in Fürth geboren. Die Eltern Ernst und Pauline Landmann lebten in bescheidenem Wohlstand vom Hopfenhandel des Vaters. Anna war das zweitjüngste von acht Kindern, den Unterschied, der zwischen den Geschlechtern gemacht wurde, bemerkte sie früh. So konnten Mädchen nur ein Abitur ablegen, in dem hauswirtschaftliche Fächer im Vordergrund standen.
Anna lebte nach dem Schulabschluss für ein Jahr bei Verwandten in Moskau, um dort ein sogenanntes Haushaltsjahr zu absolvieren. Auch wenn die Hausarbeit nicht zu ihren bevorzugten Betätigungen zählte, war der Aufenthalt in Moskau wegweisend, brachte er sie doch mit vorrevolutionären Tendenzen und sozialen Themen in Verbindung.
1913 schrieb sich Anna Landmann in Erlangen für ein Studium der Philosophie, Literatur und Sozialwesen ein, gegen den Willen ihrer Eltern. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs nötigte sie zu einer Unterbrechung, um der Familie zu helfen, da die Brüder im Feld waren. Anna leistete auch Dienst beim Roten Kreuz. Zwischen 1914 und 1916 arbeitete sie ehrenamtlich am Amtsgericht in Fürth, wo sie u. a. in Jugendgerichtsfragen Kenntnisse erwerben konnte. 1916 konnte sie ihr Studium an der Hochschule für kommunale und soziale Verwaltung Köln fortsetzen. Landmann trat in die SPD ein und begann, sich in der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ zu engagieren.
Bereits mit ihrer ersten Stelle schrieb Anna Landmann Geschichte. Als wissenschaftliche Assistentin beim Nürnberger Wohlfahrtsamt, wo sie die Wohlfahrtsblätter der Stadt Nürnberg herausgab, gründete sie dort die Jugendgerichtshilfe, die straffälligen Jugendlichen Begleitung und Beratung ermöglichte. Mit deren Leitung war sie die erste Frau, die in Deutschland bei Gericht zugelassen war. Zuvor hatte sie sich bereits gleiche Bezahlung wie für Männer erkämpft.
1923 heiratete sie Richard Steuerwald, der die Leitung eines städtischen Knabenheimes übernahm. Das Beamtengesetz, das Doppelverdiener im öffentlichen Dienst untersagte, zwang sie in der Folge dazu, ihre eigene Stelle aufzugeben. Anna Steuerwald-Landmann arbeitete als unbezahlte Hausmutter im Heim und unterrichtete zudem an der Volkshochschule Nürnberg zu Frauenfragen und Jugendproblemen, wo sie sich u. a. vehement gegen die vorherrschende Doppelmoral wandte, nach der „das Mädchen für die Gesellschaft in- und außerhalb der Erziehungsanstalt erledigt ist, sobald zutage tritt, dass es Geschlechtsverkehr hatte“, wie sie es formulierte. Sie war außerdem in der SPD aktiv, hielt Vorträge auf Parteiversammlungen und veröffentlichte zahlreiche Artikel zum Thema Jugendhilfe.
Der Antisemitismus holte Anna Steuerwald-Landmann schon früh ein. Auch wenn sie bereits 1921 offiziell aus der israelitischen Religionsgemeinschaft ausgetreten war, wurde gegen sie gehetzt. So mahnte der Lehrerverband den Zustand an, „dass deutsche Kinder durch eine aus fremder Rasse hervorgegangene Hausmutter betreut werden“. Ende der 1920er-Jahre strengte Julius Streicher eine Hetzkampagne gegen sie an, konnte jedoch nicht das von ihm erwünschte Vortragsverbot erwirken. Die Frauen, die Steuerwald-Landmann unterrichtete, solidarisierten sich mit ihr. Doch unmittelbar nach 1933 wurde Anna Steuerwald-Landmann das Unterrichten verboten, Ehemann Richard Steuerwald wurde gekündigt und 1934 wegen des angeblichen Vertriebs verbotener sozialdemokratischer Zeitungen für einige Monate inhaftiert, jedoch nicht verurteilt. Eine neue Anstellung fand er jedoch nicht mehr. Mittlerweile hatte das Ehepaar zwei Kinder, Tochter Frolinde war 1925, Sohn Helmut 1930 geboren worden. Die Familie musste sich mit einer kleinen Rente und Hilfe von Nachbarn und Freunden zurechtfinden. Nach der Pogromnacht konnte die Familie die Ausreise organisieren und Januar 1939 nach Chile auswandern.
Zunächst kamen sie über den Bruder von Richard Steuerwald auf einem kleinen Landgut unter. Die harte körperliche Arbeit machte dem Ehepaar jedoch zu schaffen, Richard litt seit einer Kriegsverletzung unter einem gelähmten Arm, die Bedingungen auf dem Landgut waren sehr primitiv und der Bruder zahlte für die Bewirtschaftung nur schlecht. Nach vier Monaten konnte die Familie in eine Kleinstadt umziehen. Anna Steuerwald-Landmann gründete eine „Wiener-Bäckerei“, in der sie Apfel-Streuselkuchen, Nusskranz und Marmorkuchen verkaufte, Richard gab Sprachunterricht.
1942 zog die Familie nach Santiago de Chile, wo sich Anna Steuerwald-Landmann in antinazistischen Gruppierungen engagierte. Schließlich begann sie für die wichtige Exilzeitung Deutschen Blätter zu arbeiten, im besten Sinne als „Mädchen für alles“, von redaktionellen Beiträgen über Büroarbeiten bis zum Staubwischen. Die Begegnung mit der Zeitung bezeichnete sie als „das stärkste geistige Erlebnis meiner Exilzeit“.
Das Ehepaar Steuerwald-Landmann kehrte 1947 mit dem 17-jährigen Sohn zurück nach Deutschland und ließ sich wieder in Nürnberg nieder. Die Tochter hatte sich entschieden, in Chile zu bleiben. In der neuen alten Heimat engagierte sich Anna Steuerwald-Landmann weiter für die großen Themen ihres Lebens, Gleichberechtigung der Frauen, Engagement für Frieden und Erziehung zu Gewaltlosigkeit, veröffentlichte in unterschiedlichen Tageszeitungen und Zeitschriften und unterrichtete weiter an der Volkshochschule.
In einer Rundfunkansprache vom Juli 1957 fasste Anna Steuerwald-Landmann ihre Überzeugung zusammen: „Wir wollen unsere Mitmenschen heben, achten, verstehen oder zumindest zu verstehen suchen. Wir wollen in jedem das Gute aufspüren und hegen; wir wollen jedes Menschen Persönlichkeit respektieren, wir anerkennen keine Wertunterschiede in Bezug auf Herkommen, Vaterland, Rasse, Hautfarbe oder Geschlecht.“ Anna Steuerwald-Landmann starb 1980 in Fürth.
Quellen:
Gaby Franger, Anna Steuerwald-Landsmann (1892–1980). Eine Nürnbergerin des 20. Jahrhunderts, in: Nadja Bennewitz/Gaby Franger (Hg.), Am Anfang war Sigena. Ein Nürnberger Frauengeschichtsbuch, Cadolzburg 2000.
Silke Roennefahrt, Freigeistige Pazifistin. Sie ging ihren Weg, in: Eva-Maria Bast/Ute Möller/Silke Roennefahrt, Nürnberger Frauen. Historische Lebensbilder aus der Noris, Überlingen 2020.
Helmut Steuerwald, Anna Steuerwald Landmann. Frauenrechtlerin, Freigeist, Pazifistin, Vortrag, Nürnberg 2000, Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Heidelberg.
Anna Steuerwald-Landmann, Erlebnisse im Exil, Chile 1939–1947, Nürnberg 1969, Institut für Zeitgeschichte, München.