Marie Luise Kohn (Maria Luiko) – eine vielseitige Künstlerin

„Aus ihren Werken erscheint etwas zutiefst Jüdisches“

Marie Luise Kohn wurde am 25. Januar 1904 als Tochter des Kaufmanns Heinrich Kohn und seiner Frau Olga geboren. Zusammen mit ihrer älteren Schwester Elisabeth lebte die Familie im Münchner Stadtteil Neuhausen. Marie besuchte das Luisengymnasium und danach das Kindergärtnerinnenseminar. Daneben nahm sie Unterricht an der Schule für zeichnende Künste und Malerei von Moritz Heymann.

Im Wintersemester 1923 schrieb sich Marie an der Akademie für Bildende Künste ein. Acht Semester studierte sie Malerei bei Karl Caspars und Graphik bei Adolf Schinnerer, sowie belegte einige Semester Theater an der Kunstgewerbeschule. Seit ihrem ersten Ausstellungsbeitrag 1924 im Münchener Glaspalast nutzte sie den Künstlernamen „Maria Luiko“. Auch in den folgenden Jahren war sie an den dortigen Ausstellungen vertreten, immer mit einer anderen Technik, was bereits ihre enorme kreative Vielfalt zeigte. Neben Zeichnungen, Ölgemälden und Aquarellen bestanden ihre Arbeiten auch aus Lithographien, Scherenschnitten, Drucken und Holzschnitten. Sie entwarf außerdem Buchillustrationen und Bühnenbilder, wie 1926 zu Franz Werfels „Paulus unter den Juden“.

Als Mitglied der Künstlervereinigung „Die Juryfreien“ war sie 1929 an einer großen Sammelausstellung beteiligt. „Es liegt eine tiefe Traurigkeit über den Bildern Maria Luikos und doch eine gewaltige Stärke, die oft auflodert, in grellen Farben den düsteren Rahmen des Ganzen sprengend“, empfand ihr Freund Schalom Ben Chorin. „Aus jedem ihrer Werke spricht eine seltsame Mischung von Realismus und Innerlichkeit, die als etwas zutiefst Jüdisches erscheint.“

Ausstellungsnotiz aus der Bayerischen Israelitische Gemeindezeitung, 15. Juli 1932. (Repro: nurinst-archiv)

Die „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten brachte für die Familie große Veränderungen. Maries Mutter Olga konnte den Getreidehandel der Familie nach dem Tod des Vaters 1933 zunächst unter Anstrengungen fortführen, musste das Geschäft aber schließlich 1938 aufgeben. Schwester Elisabeth Kohn war Rechtsanwältin, SPD-Mitglied und Mitbegründerin der Roten Hilfe. Im August 1933 erhielt sie Berufsverbot. Maria Luiko wurde aus dem Reichsverband bildender Künstler Deutschlands ausgeschlossen.

Maria Luiko, Selbstporträt (Verbleib unbekannt), 1935, Öl auf Leinwand. (Repro: Creative Commons Lizenz, https://sammlungonline.muenchner-stadtmuseum.de/objekt/selbstportraet-verbleib-unbekannt-10249611)

Sie arbeitete im Kulturprogramm des 1934 gegründeten Jüdischen Kulturbundes Bayern weiter, nahm an verschiedenen Ausstellungen teil und entwarf noch 1935 ein Bühnenbild. 1936 musste sie ihren Künstlernamen ablegen. Im April desselben Jahres nahm sie an der „Reichsausstellung Jüdischer Künstler“ im Berliner Jüdischen Museum teil.

Maria Luiko war in dieser Zeit auch an der Planung und Gründung des „Münchner Marionettentheater Jüdischer Künstler“ beteiligt, neben Rudolf Ernst und Berthold Wolff. Das Theater, das ab dem 30. Januar 1935 spielte, war als Musiktheater konzipiert und brachte kleine Opern und Singspiele jüdischer Autoren oder mit jüdischen Themen auf die Bühne. Die Puppen wurden von Maria Luiko und ihrem Kollegen Rudolf Ernst entworfen. Luiko fertigte sie an und spielte sie bei den Aufführungen selbst; die Marionetten sind erhalten geblieben und werden im Stadtarchiv München verwahrt. Das Marionettentheater bestand bis März 1937.

Nach einer Ausstellung beim Jüdischen Frauenbund Berlin 1937 hatte Maria Luiko keine Möglichkeit mehr, ihre Werke zu zeigen. Aus wirtschaftlicher Not lernte sie, auch Alltagsgegenstände wie Schalen und Aschenbecher herzustellen und arbeitete als Hilfsbibliothekarin in der Jüdischen Gemeinde und ehrenamtlich als Handwerks- und Zeichenlehrerin an der Jüdischen Volksschule. Pläne, nach Palästina auszuwandern, konnte sie nicht umsetzen, ihr wurde kein Pass ausgestellt. An Schalom Ben-Chorin, mit dem sie gut befreundet war, schrieb sie im Juni 1939: „Was nun wird weiß niemand. Ich bedauere wirklich, dass wir gar so lange gehofft haben doch noch einen Weg nach Palästina zu finden.“ Sie versuchte, für sich und ihre Schwester eine Anstellung als Dienstmädchen in England zu finden, aber auch das scheiterte. Elisabeth Kohn versuchte, die Ausreise nach Kuba zu organisieren, was ebenfalls nicht gelang.

Maria Luiko war nicht verheiratet und lebte die meiste Zeit mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Elisabeth. Die drei Frauen mussten im August 1939 die elterliche Wohnung verlassen. Im November 1941 wurden Maria Luiko, Elisabeth und Olga Kohn nach Litauen deportiert, mit weiteren etwa 1.000 Münchner Jüdinnen und Juden. „Maria Luiko wurde mitten aus einem produktiven Lebenswerk, das der Sichtbarmachung der jüdischen Seele in Form und Farbe galt, hinweggerissen“, schrieb Schalom Ben Chorin. Alle Insassen des Deportationszugs wurden am 25. November 1941 in Kaunas ermordet.

Eine Übersicht ihrer künstlerischen Arbeiten finden Sie hier:

https://sammlungonline.muenchner-stadtmuseum.de/liste/alben/gedenkalbum-die-juedische-kuenstlerin-maria-luiko-1904-1941-59

Quellen:

Diana Oesterle, „So süßlichen Kitsch, das kann ich nicht“. Die Münchener
Künstlerin Maria Luiko (1904–1941), München 2009.

Stadtarchiv München (Hg.), Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945, Bd. 1 (A-L), München 2003.

Waldemar Bonard, Die gefesselte Muse. Das Marionettentheater im Jüdischen Kulturbund 1935–1937, München 1994.

Karl Schwarz, Jüdische Kunsthändler, Sammler und Künstler in München, in: Hans Lamm (Hg.), Vergangene Tage. Jüdische Kultur in München, München 1982.