Werner Braun – der Fotograf

„Mit Hitler ging meine deutsch-jüdische Philosophie flöten …“

Werner wurde als viertes Kind des Kaufmanns Arthur Braun und seiner Frau Martha am 12. Juni 1918 in Rückersdorf bei Nürnberg im Sommerhaus der Familie geboren. Die Brauns gehörten zum gutsituierten Bürgertum und besaßen eine Möbelfabrik in Fürth und ein Geschäft für „Raumkunst“ mit Werkstatt in Nürnberg. Nach dem Besuch der Volksschule und dem Realgymnasium trat Werner eine Lehre in der Möbelfabrik an. Schon bald wurde diese „arisiert“ und Werner musste seine Ausbildung abbrechen. „Eigentlich habe ich mich als Deutscher gefühlt“, erinnerte er sich Jahrzehnte später und „meine Kindheit war glücklich und sorglos“. Doch die Machtübernahme der Nationalsozialisten beendeten eine unbeschwerte Jugendzeit. „Die Wahl Hitlers machte mich zum Zionisten.“

Briefbogen der Möbelfabrik Braun in Fürth. Das Möbel-Geschäft „Raumkunst“ befand sich in Nürnberg, Fürther Str. 41 (Repro: nurinst-archiv)

In Deutschland sah der 19-Jährige daher keine Zukunft mehr und floh 1937 mit Hilfe der zionistischen Organisation Hechaluz zunächst nach Schweden, später nach Dänemark. Auf einer Hachschara wurde er auf ein Leben als Bauer in einem Kibbuz in Palästina vorbereitet. Dort lernte er die 1919 in Berlin geborene Marli Shamir kennen, die frisch von der Fotoschule kam und später eine bekannte Fotografin wurde. Da Werner schon als Achtjähriger ein begeisterter Hobbyfotograf war, „fand sie in mir einen willigen Schüler“, notierte er. „Wir verbrachten platonische Nächte im Kibbuz-Badezimmer, bastelten einen Vergrößerungsapparat, entwickelten und kopierten bis früh um 5 Uhr.“

Als die Nationalsozialisten 1940 in Dänemark einmarschierten, konnte sich Werner noch rechtzeitig nach Schweden absetzen. Zwischenzeitlich hatte er seine erste Frau Jael kennengelernt und geheiratet. 1946 emigrierte das Paar mit den zwei Kindern nach Palästina, wo sie in Haifa freudig von der Familie begrüßt wurden. Werners Eltern und Geschwister hatten sich nämlich in den 1930er-Jahren noch rechtzeitig aus Deutschland absetzen können.

In Erez Israel wurde Werner Braun jedoch nicht Landwirt, sondern Fotograf. Er übernahm ein kleines Atelier. Es waren unruhige Zeiten. Militärische Auseinandersetzungen zwischen Engländern, Arabern und jüdischen Einheiten bestimmten den Alltag im damals noch britisch verwalteten Palästina. Mit einem Scoop – exklusive Fotos eines Bombenanschlags in der Ben Jehuda Straße – im Jahre 1948 begann Werner Brauns erfolgreiche Laufbahn als Pressefotograf. „Krieg und Terrorismus halfen mir bei meiner Karriere“, meinte der Fotograf rückblickend. Jahrzehntelang begleitete Werner Braun mit seiner Kamera den jüdischen Staat durch alle Höhen und Tiefen. Viele seiner Fotografien sind inzwischen historische Dokumente.

Während des Eichmann-Prozesses war Werner Braun im Auftrag der israelischen Regierung tätig und machte beispielsweise die bekannten Aufnahmen von Adolf Eichmann im Glaskäfig. „Einmal saß ich auf dem Balkon direkt über ihm und habe mit einer Teleskoplinse seine Notizen abfotografiert“, erzählte er mit einem schelmischen Lächeln. „Das war natürlich verboten; ich musste das Negativ abgeben und es wurde vernichtet.“ Seine Portraits von Ben Gurion, Golda Meir, Moshe Dayan und vielen anderen Politikern wurden dagegen in allen großen israelischen und internationalen Zeitungen veröffentlicht. In seinem Archiv, das über eine halbe Million Negative umfasst, finden sich auch viele einzigartige Schnappschüsse: An seinem 49. Geburtstag machte er eines dieser Fotos, die um die Welt gingen. Nach dem gewonnenen Sechstagekrieg, im Juni 1967, konnten die Juden nach langer Zeit wieder zum Beten an die Klagemauer. Das Bild der tanzenden Soldaten gehört zu seinen Lieblingsfotos. „Ein bisschen patriotisch habe ich schon gefühlt“, erinnerte sich Werner Braun. „Ich bin zwar ein Jecke und stolz darauf, aber in Deutschland leben möchte ich nicht, meine Heimat ist Israel.“

Werner Braun vor der Klagemauer in Jerusalem mit seinem Bild der tanzenden Soldaten (Foto: Jim G. Tobias)

Wie die Fotografen Paul Goldmann und David Rubinger bannte Werner Braun über Jahrzehnte den politischen und gesellschaftlichen Alltag im Staat Israel auf Zelluloid. Gleichwohl stand er immer im Schatten seiner Kollegen. Zu Unrecht – denn auch Werner Braun genoss als Nachrichten-, Dokumentar- und Magazinfotograf international hohes Ansehen. „Seine besondere Fähigkeit, einfache Szenen zu fotografieren, aber durch die Einbeziehung eines Details –sei es eine Pose, ein Gesichtsausdruck oder die Komposition – verleiht er seinen Bildern eine besondere Bedeutung“, urteilte die Jerusalem Post anlässlich einer Werkschau im Museum of Photography in Tel Hai.

Werner Braun gehört außerdem zu den Pionieren der israelischen Unterwasserfotografie. Seine ersten Bilder schoss er im Roten Meer mit einer handelsüblichen Kamera, die er in einen alten Autoreifen steckte. „Ich setzte mich unter Wasser auf einen Felsen und wartete. Denn nur wenn man Geduld hat, gelingen einem gute Fotos,“ sagte er in einem Interview zu seinem 80. Geburtstag und äußerte den Wunsch: „Ich bin zwar nicht mehr so aktiv, aber immer noch sehr neugierig – schon deshalb möchte ich Hundert werden.“

Und dieses gesegnete Alter hat Werner Braun erreicht. Ein halbes Jahr nach seinem 100. Geburtstag ist Werner Braun am 25. Dezember 2018 gestorben.

Doch in seinen Bildern lebt der deutsch-israelische Fotograf weiter. Als Wegbegleiter Israels machte er einfühlsam den Alltag der Menschen sichtbar, zeigte die Freude der Neueinwanderer, dokumentierte den Überlebenskampf des Staates in mehreren Kriegen und porträtierte nahezu alle israelischen Politiker von den Gründern bis in die Gegenwart.

Quellen:

Werner Braun, Von mir über mich, in: Stadt Nürnberg (Hg.), Werner Braun. Photographer. 50 Jahre Israel (Ausstellungskatalog), Nürnberg 1998.

Jim G. Tobias, „Wegbegleiter Israels“ – Der deutsch-jüdische Fotograf Werner Braun, TV Feature 1998, https://www.nurinst.org/wegbegleiter-israels-der-deutsch-juedische-fotograf-werner-braun/

Peter Zinke, Flucht nach Palästina. Lebenswege Nürnberger Juden, Nürnberg 2002.

Sammlung Werner Braun: Gesprächsnotizen, Zeitungsartikel, Dokumente, nurinst archiv.