Manfred Saalheimer

Ein bayerisch-jüdischer Advokat auf zwei Kontinenten

Manfred wurde am 30. August 1906 als Sohn des Kaufmanns Salomon Saalheimer und seiner Frau Selma in Würzburg geboren. Nach dem Besuch der jüdischen Volksschule und des Gymnasiums studierte der junge Mann Jura an den Universitäten in München und Würzburg. 1930 promovierte Manfred Saalheimer zum Thema „Der jüdische Reichsverband: Über eine öffentlich-rechtliche Gesamtorganisation der deutschen Juden“ an der Universität seiner Geburtsstadt. August 1932 erfolgte die Zulassung als Rechtsanwalt am Landgericht Würzburg, die ihm im Juli 1933 aufgrund der NS-Gesetze aberkannt wurde. Danach vertrat Saalheimer als Syndikus und Büroleiter bis vermutlich 1938 die Interessen der Israelitischen Kultusgemeinde Dresden und war für den Sächsischen Israelitischen Gemeindeverband tätig.

Bei den Novemberpogromen von 1938 wurde er festgenommen und ins KZ Buchenwald verschleppt. Nach der Freilassung gelang ihm die Emigration über England nach Kanada, wo er als feindlicher Ausländer bis 1942 interniert wurde. Seine Eltern blieben in Würzburg und wurden am 23. September 1942 nach Theresienstadt verschleppt, wo Vater Salomon im November verstarb; Mutter Selma wurde im Herbst 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Nach Aufhebung seiner Internierung bekam Manfred Saalheimer eine Anstellung beim Canadian Jewish Congress, der nationalen Vertretung der jüdischen Gemeinden in Kanada. Ab 1945 betraute ihn der Verband mit der Umsetzung des „War Orphans Project“. Die kanadische Regierung hatte nach langwierigen Verhandlungen die Einreise von rund 1.000 elternlosen jüdischen Kindern und Jugendlichen erlaubt, die als Verfolgte des Nationalsozialismus in den Displaced Persons Children’s Camps ausharrten. Schon bevor Saalheimer seine Reise nach Europa antrat, hatte er im Auftrag des Canadian Jewish Congress Plätze auf Schiffen, die regelmäßig zwischen Europa und Kanada verkehrten, für Waisen im Alter bis zu 18 Jahren reserviert.

Zeitungsausriss: Canadian Jewish Review. (Repro: nurinst-archiv)

Im September 1947 erreichten die ersten Kinder aus Europa an Bord der „Aquitania“ den Hafen von Halifax in der Provinz Nova Scotia, wo sie von Vertretern der jüdischen Organisationen willkommen geheißen wurden. Einige der Einwanderer hatten Verwandte in Kanada, die anderen wurden in Heimen oder bei Pflegeeltern untergebracht.

Zwischen September 1947 und März 1952 erreichten 1.116 jüdische Waisen aus den DP-Camps und Kinderheimen ihre neue Heimat Kanada. 70 Prozent aller jungen Emigranten waren Überlebende aus den Lagern, die restlichen hatten den Naziterror im Untergrund, bei den Partisanen oder mit falschen Identitäten überlebt.

Nachdem das Programm erfolgreich abgeschlossen war, übernahm Manfred Saalheimer eine leitende Funktion in der Zentrale des Canadian Jewish Congress. Zwischenzeitlich hatte er geheiratet; seine aus Deutschland stammende Frau Harriet, geborene Herta Steinhart, hatte kurz nach der Pogromnacht aus Deutschland flüchten können. Über einen Aufenthalt in London gelangte sie ebenfalls nach Kanada.

Manfred Saalheimer (Foto: Alex Dworkin Canadian Jewish Archives, Montreal)

Der Jurist Manfred Saalheimer vertrat den Verband auf zahlreichen internationalen Kongressen, hatte den Direktorenposten bei der United Restitution Organization inne, die sich für Entschädigungszahlungen an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus einsetzte, und war als Sekretär der International Lawyers Association in Montreal tätig. Nach 25 Jahren Tätigkeit für den Canadian Jewish Congress verstarb Manfred Saalheimer im Alter von nur 60 Jahren überraschend am 21. Juni 1967. Seine 1915 geborene Ehefrau Harriet überlebte ihren Mann 46 Jahre, sie starb hochbetagt im November 2013.

Quellen:

Jim G. Tobias, Neue Heimat in Nordamerika. Der Weg jüdischer Waisen von Deutschland nach Kanada, in: Nikolaus Hagen/Markus Nesselrodt/Philipp Strobl/Marcus Velke-Schmidt (Hg.), Displaced Persons-Forschung in Deutschland und Österreich, Berlin 2022.

Bundesarchiv (Hg.), Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945, Bd. 4 (S–Z), Koblenz 2006.

Reiner Strätz, Biographisches Handbuch Würzburger Juden 1900–1945, Bd. 2,
Würzburg 1989.

Eli Gottesman, Who’s Who in Canadian Jewry, Montreal 1967.

Manfred Saalheimer Collection, Alex Dworkin Canadian Jewish Archives, Montreal.