Senta Josephthal, geborene Punfud, erblickte am 5. Dezember 1912 in Fürth das Licht der Welt. Sie stammte aus einem jüdisch-orthodoxen Elternhaus, der Vater war Teilhaber einer Fahrradfabrik. Nach der Grundschule besuchte Senta das Mädchenlyzeum in der Tannenstraße und wechselte später auf das Mädchenrealgymnasium in Nürnberg. Schon früh bekam Senta die in Franken besonders stark verbreitete Judenfeindlichkeit zu spüren. „Wir waren an Antisemitismus gewöhnt. Nürnberg war schon vor Hitler die antisemitischste Stadt in Deutschland“, erinnerte sich Senta Josephthal noch nach Jahrzehnten recht lebhaft an diese Zeit. Nicht von ungefähr engagierte sie sich deshalb schon früh in der örtlichen Zionistischen Jugendbewegung. Im Unterschied zu der mehrheitlich assimilierten Elterngeneration war sie wie viele jüdische Jugendliche der Überzeugung, dass sie in Deutschland keine Zukunft mehr haben würde. In der Jugendbewegung lernte Senta ihren späteren Mann, den 1912 in Nürnberg geborenen Georg Josephthal kennen, mit dem sie noch vor der Reichspogromnacht im Herbst 1938 nach Palästina emigrierte, um sich für den Aufbau des jüdischen Staates zu engagieren.
Anfänglich lebte das Paar gemeinsam im Kibbuz. Doch schon bald trennten sich ihre Wege. Georg, der seinen Namen hebräisierte und nun Giora hieß, arbeitete in Jerusalem als Direktor der Jewish Agency in der Abteilung für die Eingliederung von Immigranten und bekleidete später verschiedene politische Ämter in der Arbeiterpartei. Senta setzte sich zunächst mit aller Kraft für die Rinderzucht im neugegründeten Kibbuz Gal-Ed ein. Doch schon bald wurde Senta Josephthal von Ministerpräsident Ben Gurion gegen ihren Willen auf einen aussichtsreichen Listenplatz der Arbeiterpartei gesetzt. Der Staatsgründer fand es fantastisch, in einer Person Frau, Kibbuzmitglied und deutsche Einwanderin vereint zu sehen. Eine Kandidatin, die drei Zielgruppen abdeckt.
Ihr Mann Giora machte mittlerweile Karriere in der Politik. 1952 nahm er als Leiter der israelischen Delegation an den so genannten Wiedergutmachungs-verhandlungen im niederländischen Wasenaar teil. Von März bis September verhandelten Delegationen Israels, der Claims Conference sowie der deutschen Bundesregierung über Reparationen und Entschädigungen. Giora Josephthal berichtete von anfänglichen Spannungen zwischen den Delegationen. So weigerten sich etwa die deutschstämmigen israelischen Vertreter, in ihrer Muttersprache zu verhandeln. Trotzdem, und nicht zuletzt aufgrund des Fingerspitzengefühls von Giora, konnte das Abkommen erfolgreich abgeschlossen werden. Mit der Bestätigung durch den deutschen Bundestag trat der Vertrag im März 1952 in Kraft.
Giora Josephthals Aufstieg in der israelischen Politik setzte sich fort. Von 1960 bis zu seinem plötzlichen Herztod im August 1962 bekleidete er zunächst das Amt des Arbeitsministers, später wurde er zum Wohnungsbauminister ernannt.
Obwohl Senta schon bald ihr Mandat im israelischen Abgeordnetenhaus zurückgab, denn wie sie begründete „ich bin praktische Arbeiten gewöhnt und fühlte mich in der Knesset überflüssig. Nur Reden halten, das war nichts für mich“, betrat sie bald wieder das politische Parkett. 1956 wurde sie von Finanzminister Levi Eshkol nach Frankfurt geschickt. Dort tagte der deutsche Länderrat und diskutierte über Entschädigungszahlungen an Holocaust-Opfer.
Weil ihr Kibbuz Gal-Ed viele Überlebende aufgenommen hatte, standen der Kollektivsiedlung „Wiedergutmachungsgelder“ zu. Ein Stuttgarter Gericht verweigerte dem Kibbuz allerdings jegliche Zahlungen: „Nach Auffassung dieser Richter sind landwirtschaftliche Kollektivsiedlungen eine Art Kloster, deren Insassen auf alle Annehmlichkeiten der Welt verzichtet haben“, empörte sich Senta Josephthal noch nach Jahrzehnten über diese eigenwillige Entscheidung. In langen Gesprächen erklärte die Israelin deshalb den deutschen Ministerialbeamten ausführlich die Kibbuzbewegung und deren Vorstellung vom gleichberechtigten Leben in der Gemeinschaft. „Meine Ausführungen müssen sie beeindruckt haben“, freute sich Senta noch Jahrzehnte später, „da der Kibbuz von 1957 an das ihm zustehende Geld aus Deutschland erhielt“.
Das Engagement und der politische Rat von Senta Josephthal waren oft gefragt. Als man etwa nach dem Tod von Premierminister Levi Eshkol 1969 auf einer Parteisitzung Golda Meir zur Nachfolgerin vorschlug, hatte Frau Meir zunächst wegen ihres fortgeschrittenen Alters Bedenken. Sie befürchtete, sich lächerlich zu machen. „Wenn ich dann senil bin, wird es mir keiner sagen“, zitierte Senta Josephthal die spätere Ministerpräsidentin. „Da reichte ich ihr einen Zettel auf den ich geschrieben hatte, „glaub mir Golda, ich werde es dir sagen“, erinnerte sich Senta mit einem verschmitzten Lächeln. Noch Jahre danach habe Golda Meir immer wieder zu ihr gesagt: „Du bist die Einzige, die ehrlich ihre Meinung äußert, von den anderen hätte das niemand getan.“
Mitte der 1970er Jahre wurde Senta Josephthal nochmals in die Knesset gewählt. Weil sie aber lieber in der kibbuzeigenen Plastikfabrik mitarbeiten wollte, erklärte sie wiederum nach kurzer Zeit ihren Rücktritt. 20 Jahre stellte sie Teller, Schüsseln und Toilettensitze her, bevor sie mit 86 Jahren in den Ruhestand ging. Trotz ihres hohen Alters hatte sich der Kibbuz gern auf ihren Rat verlassen, schätzte ihr offenes Wort und wählte Senta Josephthal regelmäßig in das Selbstverwaltungsgremium des Kibbuz. „Ich glaube, es war ein besonderes Anrecht, dass ich meine eigene Heimat mit meinen eigenen zehn Fingern gebaut habe. Es war nicht leicht, aber es war sehr befriedigend.“ Senta Josephthal starb hochbetagt im Juli 2007 in ihrem Kibbuz Gal-Ed.