Aus der fränkischen Provinz zum „König von Haidhausen“

Der Brauereibesitzer und Philanthrop Josef Schülein (1854–1938)

Nachdem 1868 die Gewerbefreiheit für handwerkliche Berufe eingeführt wurde, konnten Juden, die nun auch rechtlich gleichgestellt waren, auch andere Berufe ergreifen, als ihnen das bisher möglich war. Dazu gehört auch das Brauereiwesen. Es sind allerdings nur wenige jüdische Brauereien bekannt, und umgekehrt ist der jüdische Hintergrund der Brauereien wenig bekannt. So auch die Geschichte der Familie Schülein und der Löwenbräu Brauerei.

Josef Schülein wurde 1854 in Thalmässing geboren. Die kleine mittelfränkische Ortschaft hatte eine große jüdische Gemeinde, die gut 20 Prozent der Einwohner zählte. Doch der junge Schülein wollte mehr als das Leben des Landjudentums und zog im Alter von 19 Jahren gemeinsam mit seinen Brüdern Julius und Gustav in die große Stadt, nach München. Relativ schnell konnten sie Eigentümer einer Privatbank werden und erhielten das Münchner Bürgerrecht.

Die Brüder Schülein sattelten jedoch bald um und erwarben 1895 eine bankrotte Brauerei. Die Unionsbrauerei Schülein und Companie, ansässig wie viele Brauereien damals in Haidhausen, wurde bald beliebt. Schon 1903 wurde die Unionsbrauerei in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und fusionierte mit weiteren kleineren Brauereien, darunter auch die Schlossbrauerei Kaltenberg, Schülein erwarb sowohl Brauerei wie auch Schloss Kaltenberg. Vor dem Ersten Weltkrieg war sie eine der fünf größten Münchner Brauereien.

Bierdeckel Schloss Kaltenberg, um 1930. (Foto: Jüdisches Museum München, Inv.-Nr. JM 14/2015, Franz Kimmel)

Die Unionsbrauerei konnte ihren Erfolg 1921 durch die Fusion mit der Löwenbräu AG festigen, deren Name dann wegen des Bekanntheitsgrades auch beibehalten wurde. Sohn Hermann Schülein, der mittlerweile in den Betrieb eingestiegen und wichtigster Partner seines Vaters war, wurde Generaldirektor der Löwenbräu AG, die bald zu einer der größten Brauereien Deutschlands zählte.

Porträt des Münchener Brauereibesitzers und Philanthropen Josef Schülein (1907) (Foto: www.wikimedia.org – public domain)

Josef Schülein machte sich jedoch nicht nur als Unternehmer einen Namen. In Haidhausen, Ende des 19. Jahrhunderts ein armes Glasscherbenviertel, war er wegen seines sozialen Engagements bekannt und geschätzt. Löhne und Zulagen zahlte er stets großzügig, unterstützte arbeitslose Familien und Vereine im Viertel, förderte jährlich um die 40 Patenkinder und wurde so bald als „König von Haidhausen“ wertgeschätzt. Im benachbarten Viertel Berg am Laim stiftete Schülein 21 Grundstücksparzellen für den sozialen Wohnungsbau. Schülein wurde für sein unternehmerisches und soziales Engagement die Auszeichnung als „Geheimer Kommerzienrat“ verliehen. Die Stadt München benannte in Berg am Laim eine Straße und einen Platz nach ihm.

Auch wenn Schülein säkular lebte, blieb er dem Judentum sein Leben lang eng verbunden und pflegte den Schabbat im Kreise seiner Familie zu verbringen. Auch von der Außenwelt wurde er als Jude wahrgenommen und antisemitisch angefeindet. Gegen sein „Judenbier“ hetzten insbesondere die Nationalsozialisten schon in den 1920er-Jahren. Nach der sogenannten Machtergreifung von 1933 mussten Josef Schülein und andere jüdische Aufsichtsratsmitglieder der Löwenbräu AG ihre Mandate niederlegen.

Ebenfalls im Besitz der Familie Schülein befand sich die Münchner Hefeverwertungsgesellschaft, die später in Cenovis Werke umbenannt wurde. Einer der Söhne von Josef Schülein, Julius, hatte über Bierhefe als Heil-, Nähr- und Futtermittel geforscht und war als Direktor der Cenovis Werke bis zur Arisierung 1938 tätig, als dann die Anteile der jüdischen Gesellschafter an Maggi verkauft wurden.

Josef Schülein zog sich auf seinen Alterswohnsitz auf Schloss Kaltenberg zurück, wo er im September 1938 im Alter von 74 Jahren starb. Die Nationalsozialisten hatten ihn nicht belangt. Er wurde auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in München bestattet.

Alle fünf Kinder aus seiner Ehe mit Ida Baer konnten emigrieren, so auch Hermann Schülein, der in den USA ebenfalls eine Brauerei, die Liebmann Breweries, leiten sollte. Fritz Schülein wurde am Abend der Reichspogromnacht in Kaltenberg verhaftet und für eine kurze „Schutzhaft“ in Dachau interniert. Er konnte jedoch ebenfalls in die USA ausreisen. Der Familienbesitz Schloss Kaltenberg wurde arisiert. Erst 1948 wurde der Besitz restituiert, aber niemand der Familie Schülein wollte wieder in Deutschland leben. 1954 wurde Schloss Kaltenberg an die Wittelsbacher verkauft und ist heute Wohnsitz von Luitpold Prinz von Bayern.

Dass das Schloss vor hundert Jahren jüdische Besitzer hatte, ist leider nur den wenigsten der heutigen Besucher der Schlossbrauerei und der jährlich stattfindenden Ritterspielen bekannt.

Quellen:

Lilian Harlander/Bernhard Purin (Hg.), Bier ist der Wein dieses Landes. Jüdische Braugeschichten, München 2016.

Miriam Magall, „Wie gut sind deine Zelte, Jakob …!“ Spaziergänge im jüdischen München, München 2008.