Mary S. Rosenberg – die Buchhändlerin

Von Fürth nach New York

Bis zu ihrem Tod am 3. Juni 1992 war Mary S. Rosenberg der deutschen Literatur eng verbunden. Im Jahre 1939 flüchtete die gebürtige Fürtherin vor den Nationalsozialisten in die USA. Bis dahin führte sie in ihrer fränkischen Heimatstadt eine vom Vater übernommene Buchhandlung. Im Exil eröffnete sie sofort einen deutschsprachigen Buchladen. Im Laufe der Jahre zählten Albert Einstein, Thomas Mann, Lion Feuchtwanger und andere deutsche Emigranten zu ihren Kunden.

Maria wurde am 7. September 1900 in Fürth geboren. Ihr Vater Georg Rosenberg war Buch- und Musikalienhändler, so war es ihr offensichtlich in die Wiege gelegt, eine Buchhändlerlehre zu absolvieren – obwohl die junge Frau lieber Medizin studieren wollte. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1933 übernahm die Tochter das Geschäft. Es war nicht leicht. Die Nationalsozialisten schlossen ihren Laden, sodass Maria das Buchgeschäft in ihre Wohnung verlegen musste. Sie verkaufte hauptsächlich Literatur von jüdischen Autoren, Sprach- und Geschichtsbücher, religiöse Schriften, Lieder- und Kinderbücher, Handreichungen für die Auswanderung nach Palästina sowie jüdische Zeitungen und Magazine. Regelmäßig schaltete sie Anzeigen im Nürnberg-Fürther Israelitischen Gemeindeblatt. Oft mit dem Hinweis versehen, dass Inlandsbestellungen – auch nach Nürnberg – „portofrei und schnellstens erledigt“ werden.

Vermutlich die letzte Anzeige im Nürnberg-Fürther Israelitischen Gemeindeblatt. (Repro: nurinst-archiv)

Bis Ende 1938 hielt sie durch – ein Jahr später gelang ihr über die Schweiz und England die Flucht nach New York.

In der Metropole am Hudson angekommen war sie, wie so viele deutsch-jüdische Emigranten, nahezu mittellos und auf sich alleine gestellt. Für eine Anstellung als Buchhändlerin in einem New Yorker Bookstore war ihr English nicht gut genug. Also machte sie sich selbstständig und kaufte gezielt deutschsprachige Bücher auf. Rosenbergs Buchhandlung – zunächst in ihrer Wohnung – entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem der bedeutendsten Umschlagplätze deutscher Literatur. Über den Verkauf hinaus betätigte sich Mary S. Rosenberg, wie sie sich jetzt nannte, als Importeurin und Verlegerin. Den Buchstaben S für Sara, das middle initial, hatten ihr die Nationalsozialisten amtlich verordnet; sie behielt es als trotziges Zeichen ihrer Herkunft zeitlebens.

Rosenbergs Bookstore wurde eine Erfolgsgeschichte. Mitte der 1940er-Jahre umfasste ihr Lager rund 20.000 Bände. Sie verkaufte ihre Bücher nicht nur an deutsche Intellektuelle wie Werfel, Brecht, Feuchtwanger oder Mann, die in Kalifornien im Exil saßen, sondern auch an die Abteilungen für deutschsprachige Literatur der Universitäten und Colleges im ganzen Land. „Ich habe meine Buchhandlung damals in Amerika aber nicht aufgemacht, um das deutsche Buch zu retten, sondern weil ich nichts anderes gelernt und Geld gebraucht habe“, erzählte Frau Rosenberg 1998 in einem TV-Interview.

Ab Mitte der 1970er Jahre befand sich „Mary S. Rosenberg German Books“ im 10. Stockwerk eines Hochhauses an der Ecke Broadway, 60th Street. Alle Räume waren bis zur Decke mit prallvollen Bücherregalen vollgestellt. Antiquarische und druckfrische Bände, nicht nur schöngeistige Literatur und Judaica, sondern auch Fachbücher zu den Themen Mathematik, Jura, Psychologie oder anderen Wissenschaften, eine deutschsprachige Universal-Bibliothek.

Mary Rosenberg in ihrem Laden in New York, Mai 1992. (Foto: Jüdisches Museum Franken)

Bis zu ihrem Tod im Juni 1992 saß Frau Rosenberg täglich zwischen ihren Büchern und hielt das Geschäft am Laufen. Obwohl mit Tom und Gisela zwei langjährige Mitarbeiter den Bookstore übernahmen und weiterführten, wurde es still um einen der letzten deutschen Buchläden in New York. Es erschienen keine Anzeigen mehr in den einschlägigen Publikationen und viele Zeitgenossen gingen schon davon aus, dass mit dem Tod der Buchhändlerin auch der Laden geschlossen wurde. Es sah nicht gut aus: Auch ein Großteil der alten Kundschaft war mittlerweile gestorben und die Kinder der Immigranten verfügten kaum über deutsche Sprachkenntnisse. „Die deutsche Sprache gehört nicht zu Rennern bei den amerikanischen Studenten“, sagte Gisela traurig, die ein Bild von ihrer ehemaligen Chefin direkt über ihrem Schreibtisch aufgehängt hatte. „Mary schaut mir täglich bei meiner Arbeit zu”, erzählte die Buchhändlerin schmunzelnd. „Ich erinnere mich, wie Frau Rosenberg noch kurz vor ihrem Tod zum ersten Mal in ihre Geburtsstadt Fürth reiste, sie war schon schwer krank, aber sie wollte den beschwerlichen Transatlantikflug auf jeden Fall antreten”.

Zwar hatte Mary S. Rosenberg nie eine besondere Beziehung zu ihrer Heimatstadt, „No love, no hate”, hatte sie einmal auf die Frage zu ihrem eher distanzierten und abgeklärten Verhältnis zu Fürth gesagt, aber diese letzte Reise musste ihr doch viel Freude gemacht haben. Bis kurz vor dem Abflug war die mittlerweile 90-Jährige noch im Krankenhaus. Aber mit ihrem eisernen Willen hatte sie es geschafft.

Rund ein dreiviertel Jahrhundert widmete sich Mary S. Rosenberg dem Buchhandel und der Literatur. Kurz vor Ihrem Tod hatte sie noch einen Besuch der Frankfurter Buchmesse im Herbst 1992 geplant. In einem Gespräch mit der Emigrantenzeitung AUFBAU meinte sie noch sehr optimistisch: „Aber selbstverständlich, wie jeder Jahr!“ Doch diese Reise war ihr nicht mehr vergönnt. Als Wegbegleiterin der aus Deutschland vertriebenen Schriftsteller und Intellektuellen hat Mary S. Rosenberg als „Mittlerin für das deutsche Buch mehr getan als viele andere, die mehr im Vordergrund standen“, schrieb der AUFBAU in einem Nachruf. „Dafür schulden wir ihr Dank über den Tod hinaus!“

Quellen:

Elfi Hartenstein, Es ist ja nicht so schwierig, wenn man es erst einmal anpackt. Mary S. Rosenberg, Buchhändlerin, in: Elfi Hartenstein, Jüdische Frauen im New Yorker Exil, Berlin 2010.

Jim Tobias, Rosenbergs Bookstore. Eine deutsche Buchhandlung in Manhattan, unveröffentlichtes Manuskript (1994), nurinst-archiv.

HM, Bücher waren ihre besten Freunde. Zum Tod von Mary Rosenberg, in: AUFBAU vom 19. Juni 1992.

Norbert Schmidt, Niemand hat auf uns gewartet! Mary Sara Rosenberg. Buchhändlerin in New York, TV-Feature, Medienwerkstatt Franken 1992.