Max Frankenburger – Vom Fahrradpionier zum Kunsthistoriker

Die ersten Fahrräder kamen um 1880 aus England auf den europäischen Kontinent. Galt dieses Fortbewegungsmittel jahrzehntelang als skurriler Luxus oder bestenfalls als außergewöhnliches Sportgerät, so änderte sich das gegen Ende des 19. Jahrhunderts: das Fahrrad wurde zu einem Gebrauchsgegenstand. Entscheidenden Anteil daran hatte zumindest in Deutschland die Nürnberger Fahrradindustrie. Zu ihren Pionieren gehörte neben Carl Marschütz (Hercules) Max Frankenburger mit seinem Victoria Werk.

Max wurde am 27. August 1860 im fränkischen Uehlfeld als Sohn des jüdischen Lehrers und Vorsängers Aron Frankenburger und seiner Frau Therese geboren. Über seine Jugendzeit ist wenig bekannt, lediglich, dass er eine kaufmännische Ausbildung absolvierte und in diesem Bereich auch tätig war. Im Adressbuch der Stadt Nürnberg ist Frankenburger erstmals 1888 als „Velocipedfabrikant“ verzeichnet. Ein Jahr zuvor hatte er mit seinem Kompagnon Max Ottenstein die Victoria-Werke gegründet.

Reklame-Emailtafel der „Victoria-Fahrradwerke AG“, Nürnberg um 1900. Foto: Eva Jünger © JMM

In der Anfangszeit wurden zunächst die damals vorherrschenden Hochräder produziert; 1889 verließ das 1.000 dieser Räder das Werk, drei Jahre später erfolgte die Umstellung auf das moderne Niederfahrrad und die Firma nannte sich fortan „Victoria Fahrradwerke Frankenburger & Ottenstein“. Das Unternehmen entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Hersteller von Fahrrädern, zahlreiche Auszeichnungen, wie etwa die Goldmedaille bei der Weltausstellung 1893 in Chicago, zeugen davon. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Produktpalette um Motorräder erweiterte, während die Fertigung von Autos nur ein kurzes Intermezzo blieb.

Max Frankenburger um 1910 (Familie von Branca, München/Miesbach). Foto: Eva Jünger © JMM

1903 zog sich Max Frankenburger aus dem operativen Geschäft zurück und verließ den Aufsichtsrat. Seine Anteile an dem florierenden Unternehmen erlaubten es ihm, sich nun gänzlich seiner Leidenschaft, der kunsthistorischen Forschung zuzuwenden, insbesondere der Geschichte der Goldschmiedekunst. Er übersiedelte nach München und veröffentlichte dort vielbeachtete kunsthistorische Werke, obwohl er keine akademische Ausbildung in diesem Metier vorweisen konnte. Er verfasste eine Studie über das Leben des Goldschmiedemeisters Wenzel Jamnitzer (1507/8–1585), beschrieb in seinen Werken „Die Silberkammer der Münchner Residenz“ oder „Die Landshuter Goldschmiede“ Arbeiten bayerischer Kunsthandwerker und publizierte zur „Geschichte der Wandteppiche“ in bayerischen Fürstenhäusern. Seine Veröffentlichungen wurden in der Fachwelt durchwegs positiv aufgenommen. Zu seinem 70. Geburtstag 1930 ehrte ihn die Innung der Münchner Juweliere Gold- und Silberschmiede und überreichte ihrem „Chronisten“ einen eigens für ihn angefertigten Pokal. Nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten waren Max und seine Frau Nanni zunehmender Ausgrenzung und Verfolgung ausgesetzt. Das Paar musste seine Wohnung verlassen und im Januar 1941 zunächst in ein Altersheim und im April in die „Judensiedlung“ Milbertshofen umziehen, einem Barackenlager, in dem die jüdische Bevölkerung vor der Deportation konzentriert wurde. Am 24. Juni 1942 erfolgte der Transport ins Ghetto Theresienstadt, wo die beiden Hochbetagten nach einem halben Jahr kurz hintereinander verstarben, Nanni am 16. Dezember 1942, Max am 5. Januar 1943.

Die Victoria-Werke waren bereits Mitte 1933 kurz nach der „Machtübernahme“ durch das NS-Regime „arisiert“ worden, ab Kriegsbeginn war die Fahrradproduktion weitgehend eingestellt und auf Rüstungsgüter umgestellt worden. Ein Großteil der Fabrikanlage wurde im 2. Weltkrieg zerstört, dennoch nahm man die Produktion nach 1945 wieder auf. Ende der 1950er-Jahre gingen die Victoria-Werke in der Zweirad-Union auf.

Quellen:

Bernhard Purin, Fahrradpionier und Privatgelehrter Max Frankenburger (1860–1943), München 2021.

Peter Ullein, Nürnberger Fahrradgeschichte(n). Von der Velocipedfabrik Frankenburger & Ottenstein zur Victoria Werke AG. Die ersten zwanzig Jahre von 1887 bis 1906, Nürnberg 2018.

Stadt München/Andreas Heusler (Hg.), Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden: 1933–1945, Bd. 1 (A–L), München 2003.

Eintrag Victoria-Werke, in: Michael Diefenbacher (Hg.), Stadtlexikon Nürnberg, Nürnberg 1999.