Fritz Neuland – Rechtsanwalt und Mitbegründer der jüdischen Nachkriegsgemeinde Münchens

Fritz Neuland wurde am 30. Januar 1889 in Bayreuth geboren. Seine Eltern, Salomon und Albertine Neuland, waren kurz zuvor aus Neustadt an der Aisch nach Bayreuth gezogen. Salomon Neuland betrieb ein Herrenoberbekleidungsgeschäft. Fritz besuchte nach der Volksschule das Humanistische Gymnasium in Bayreuth. Im Anschluss studierte er an der Universität München Rechtswissenschaften und legte 1912 das erste Staatsexamen ab.

Sein Vorbereitungsdienst beim Amtsgericht am Landgericht Bayreuth und im Bezirksamt Erding wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Neuland wurde eingezogen und beendete seinen Kriegsdienst mit Orden und Auszeichnungen, die er „in einem Glasschrank in seinem Herrenzimmer“ aufbewahrte, wie sich seine Tochter, die spätere Vorsitzende der IKG München, Charlotte Knobloch, erinnert.

Das zweite Staatsexamen legte Fritz Neuland 1919 ab und erhielt daraufhin die Zulassung zur Rechtsanwaltskammer München. Seine gutgehende Kanzlei befand sich in der Stadtmitte am Stachus. Gegen den Widerstand der Eltern heiratete Neuland Margarethe Siegritz, die vor der Hochzeit zum Judentum übertrat. 1932 wurde Tochter Charlotte geboren.

Die Feiertage verbrachte die Familie stets bei den Neulands in Bayreuth. Charlotte Knobloch erinnert sich, dass dort viel gelesen und musiziert wurde, ihr Vater spielte Bassgeige und Klavier, die Großeltern und der Vater seien außerdem Opernliebhaber und „passionierte Wagnerianer“ gewesen.

Nach dem 30. Januar 1933 konnte Fritz Neuland noch einige Zeit weiter als Anwalt tätig sein. Das „Frontkämpferprivileg“ ermöglichte es. Seine Frau Margarethe war dem Druck und den zunehmenden Repressalien nicht gewachsen und verließ die Familie. Das Ehepaar wurde 1937 geschieden. Großmutter Albertine kümmerte sich fortan um die kleine Charlotte und zog nach dem Tod ihres Mannes nach München. 1938 musste Fritz Neuland sowohl den Vornamen Siegfried wie auch Israel annehmen. Sein Bruder Willi drängte ihn, mit Charlotte und Albertine zu ihm in die USA auszuwandern. Später erhielt die Familie zwei Bürgschaften zur Einreise, entschied sich aber dagegen, denn Albertine hätte zurückbleiben müssen.

In ihren Lebenserinnerungen hält Charlotte Knobloch eine Szene fest. Bei einem Spaziergang mit ihrem Vater in der Stadt wurden sie angehalten, der Vater wurde verhaftet und auf der Stelle mitgenommen, mit anderen auf einem Lastwagen. Sie blieb alleine zurück, eine fremde Frau reagierte geistesgegenwärtig und führte sie von dort weg. Fritz Neuland kam jedoch bald frei, ein ehemaliger Mandant, der ihn am Polizeirevier erkannte, konnte die Freilassung erwirken.

Fritz Neuland konnte sich auch aus beruflichen Gründen nicht dazu durchringen auszuwandern. In den USA hätte er erneut Jura studieren müssen, um in seinem Beruf zu arbeiten. „Es erschien Vater undenkbar, in einer anderen Profession als der von ihm erlernten und geliebten Anwaltstätigkeit zu arbeiten,“ notierte Tochter Charlotte. Neuland verlor schließlich die Anwaltszulassung, ab Februar 1939 konnte er als Rechtskonsulent nur noch Juden vertreten. Die Lage für die in München verbliebenen Juden spitzte sich weiter zu. Als auch in der Familie Neuland Deportationsbescheide eintrafen, konnte Fritz Neuland Tochter Charlotte von der Deportation befreien, wie er das geschafft hatte, hat sie nie erfahren. Seine Mutter Albertine wurde im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie starb dort im Januar 1944.

Neuland konnte seine Tochter bei Kreszentia Hummel, einer ehemaligen Hausangestellten ihres Onkels, in der fränkischen Provinz unterbringen, die das Mädchen als ihr uneheliches Kind ausgab. Dort überlebte sie auf einem Bauernhof die Kriegszeit.

Fritz Neuland musste Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb leisten. 1944 wurde er entlassen, nachdem bei einem Unfall beim Umgang mit Batteriesäure seine Sehkraft geschädigt wurde. Bis zum Kriegsende überlebte er untergetaucht bei Freunden.

Nach Kriegsende holte er seine Tochter nach München zurück. Charlotte Knobloch beschrieb den Vater beim ersten Zusammentreffen verändert, als „hager, ausgezehrt“. Sie sah ihm an, dass er viel durchgemacht hatte. Vater und Tochter zogen zurück in ihre alte Wohnung am Bavariaring, das Haus wurde im Krieg nicht zerstört. „Wie es um Vaters Seele stand, habe ich nie erfahren.“ Neuland erhielt schnell die Wiederzulassung als Rechtsanwalt, die Kanzlei betrieb er zunächst in der Wohnung am Bavariaring.

Neuland hatte sich aber nicht nur zum Bleiben in Deutschland entschlossen, so Charlotte Knobloch, „er wollte gestalten.“ Er gehörte zu den Wiederbegründern der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) am 19. Juli 1945. Julius Spanier wurde Präsident, Neuland sein Vertreter, 1951 dann sein Nachfolger, ein Amt, das er mit kurzer Unterbrechung bis 1969 innehatte. 1947 heiratete er Edith Hermann, geb. Manneberg.
Zwischen 1953 bis 1957 war Neuland Vorsitzender des Landesausschusses des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und von 1951 bis zu seinem Tod Mitglied des Bayerischen Senats. Das sei für ihren Vater „eine persönliche ,Wiedergutmachung‘“ gewesen, die er gerne annahm, so Charlotte Knobloch. „Denn er wusste sich damit in die Mitte der bürgerlichen, rechtsstaatlichen Gesellschaft zurückgekehrt, an die er immer geglaubt hatte, auch wenn die Zeiten ihm anderes bewiesen hatten.“ 1959 wurde er mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet.

Mit zunehmendem Alter ließ Fritz Neulands Sehkraft, die durch die Zeit der Zwangsarbeit beeinträchtigt war, weiter nach. Tochter Charlotte, mittlerweile verheiratete Knobloch, begleitete ihn oft zu Gemeindesitzungen, las ihm vorgelegte Schriftstücke vor und diskutierte aktuelle Themen mit ihm. Der Weg in die Gemeindearbeit war für sie damit vorgezeichnet.

Fritz Neuland starb am 4. November 1969 im Alter von 80 Jahren in München.

„Vater lebte mir vor, dass man mit Ernst und Engagement Ziele erreichen kann, auch wenn man mitunter Umwege in Kauf nehmen muss“, so Charlotte Knobloch. „Für Vater war ein Rückschlag kein Schicksalswink, sondern ein Ansporn, sich intensiver zu bemühen. Er lehrte mich Disziplin und unbedingten Einsatz für eine Sache. Und er lebte mir das Engagement für die Allgemeinheit, besonders die jüdische Gemeinschaft unserer Stadt und unseres Landes, vor.“

Quellen:

Charlotte Knobloch, mit Rafael Seligmann, In Deutschland angekommen, München 2012.

Ilse Macek, Siegfried (Fritz) Neuland (30.1.1889 Bayreuth – 4.11.1969 München), https://www.nsdoku.de/lexikon/artikel/neuland-siegfried-597 [04.11.2025]